Vom „-ism“ zum „-ity“

Über den Wandel kultureller Codes. Heute möchte einige Gedanken teilen, die Lene Andersen in ihrem aktuellen Buch „Metamodernity“ (Nordicbildung Verlag, Kopenhagen, 2019) entwickelt hat.

Es geht hierbei um die Frage, wie sich der Wandel von einer Epoche in die nächste in den Köpfen und durch die Handlungen der Menschen vollzieht. Andersen unterscheidet zunächst die Begriffe Epistemologie und kollektive Vorstellungen.

Epistemologie befasst sich als philosophische Disziplin mit den Voraussetzungen der menschlichen Erkenntnis über unsere Welt, Andersen benutzt den (englischen) Begriff aber eher aktiv im Sinne sich entwickelnder Deutungsmuster oder der Entwicklung von Bedeutungen der Menschen in ihrer Welt.

Auf der Basis ihrer Deutungsmuster entwickeln die Menschen kollektive Vorstellungen, also Bündel von Ideen darüber, wie sie miteinander leben wollen und welche gesellschaftlichen Institutionen sie für ihr Handeln benötigen.

Kulturelle Codes (z.B. Moderne, Post-Moderne usw.) beschreiben nun die Strukturen einer Gesellschaft, die sich von Epoche zu Epoche wandeln, wenn die Gesellschaft größer und komplexer wird.

Alle menschlichen Epochen in der Geschichte zeichnen sich durch dieses Größen- und Komplexitätswachstum aus, also in der Entwicklung beispielsweise von Vor-Moderne, Moderne zu Postmoderne und in Zukunft vielleicht Meta-Moderne usw.

Interessant ist nun, wie sich der Übergang von einer Epoche zur nächsten vollzieht. Nach Andersen zeigen sich zunächst in einer voll ausgeprägten, „gesättigten“ Epoche, also beispielsweise die Vor-Moderne auf dem Höhepunkt ihrer Ausprägung, also sozusagen im „Mainstream“ der Werte, Regeln und Normen der Menschen im Spätmittelalter (1400-1500), als neue Tendenzen in den ästhetischen Künsten wie z.B. Literatur, Musik, Tanz, Theater, Malerei, aber auch durch epochale Neuentwicklungen in Technik und Wissenschaft. Das neue Ideengut ist bei seiner Entstehung aber noch lange nicht beherrschend für die Gesellschaft.

In einem weiteren Schritt der Entwicklung werden die neuen gesellschaftlichen Tendenzen, Entwicklungen und Ideen durch Philosophie und Wissenschaften (insbesondere Sozialwissenschaft) einer analytischen Betrachtung unterzogen. Nach und nach setzt sich dann potentiell das Neue durch und transzendiert die bestehenden Muster, es entstehen neue allgemein verbindliche Regeln, Normen und Werte.

Der Weg der Entwicklung geht also vom „-ismus“ (engl. „-ism“), den sich zeigenden neuen Tendenzen, z.B. Modernismen, modernistische Tendenzen, zur „-ität/-e“ (engl. „-ity“), der voll ausgeprägten Epoche, also z.B. zur Moderne oder Modernität.

Es handelt sich also um eine Art verschränkte Wellenbewegung, die in dem folgenden Bild einmal dargestellt ist.

Interessant bei diesem Modell von „-ism“ zu „-ity“ ist vor allem die wichtige Rolle, die die kulturellen Disziplinen bei diesen Entwicklungen spielen. Umso bedauerlicher und geradezu fahrlässig erscheint vor diesem Hintergrund die Unterbelichtung dieser Disziplinen in unserem heutigen Schulsystem, das ja antritt unsere Kinder und Jugendlichen umfassend auf ihre und unsere Zukunft vorzubereiten.

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