Wie schon das Lernen von innen nach außen verläuft, so entstehen auch Transformationsprozesse in der Schulentwicklung – insbesondere bezogen auf die Selbstorganisation und Selbststeuerung innerhalb der Institution – von innen nach außen durch einen parallelen Aufbau innerer Strukturen aller Mitwirkenden bei gleichzeitigem Abbau statischer Strukturen und Prozesse.
Das zeigt sich auch an dem vorherrschenden Bild einer Organisation als eine gut geölte, aber eher unflexible Maschine mit festgelegtem Aufgabenbereich, in der alle Zahnräder ineinander greifen, zu dem post-post-modernen Bild eines lebendigen, anpassungsfähigen Organismus’ mit einem eigenen Willen und dynamischer Sinnfindung.
Die Organisationsentwicklung muss aber auch hier, wie schon in der menschheits- und individualgeschichtlichen Entwicklung, die verschiedenen Phasen der persönlichen Entwicklung, in der sich die Lehrer:innen und andere an der Schulorganisation Beteiligten vorwiegend befinden, berücksichtigen.
Es macht wenig Sinn, das ideale Ziel einer Teal-Organisation (Petrol/Gelb) für eine Schule auszurufen, wenn z.B. ein Großteil der Mitwirkenden vorherrschend in der blauen oder orangenen Werte-Mem-Entwicklungsphase agieren. Das würde bedeuten diesen Menschen buchstäblich den Boden unter ihren Füßen wegzuziehen, d.h. feste, sicherheitgebende Strukturen aufzulösen, ohne dass neue innere Strukturen wie größeres Selbstbewusstsein, Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, persönliche Kompetenzen in Selbstführung und Mut zu eigenen Entscheidungen aufgebaut werden konnten. Auch hier geht daher der Weg jeder Transformation von den inneren Strukturen zu neuen äußeren Strukturen und Praktiken.
Jede Schule, die den Weg zur Entwicklung einer selbstorganisierten, selbstgesteuerten Organisation gehen möchte, sollte daher zunächst eine genaue Standortbestimmung vornehmen. Wie denken, fühlen und handeln ihre Mitarbeiter:innen, was trauen sie sich zu, wie wünschen sie sich Führung, welche Kompetenzen bringen sie selbst ein oder welche können entwickelt werden usw.?
Joana Breidenbach und Bettina Rollow1 zeigen diesen Zusammenhang und die entsprechenden Vorgehensweisen in ihrem Buch „New Work needs Inner Work“ (Breidenbach/Rollow 2019) an einigen Beispielen in Deutschland auf. „Fast alle Change-Prozesse konzentrieren sich auf die äußere, sichtbare Dimension des Wandels. Aber jede äußere Veränderung von Strukturen und Prozessen muss notwendigerweise von einer inneren Transformation begleitet werden.“ (ebd. S. V)
Dabei räumen sie auch mit gängigen Missverständnissen darüber auf, wie sich die Entwicklung von Selbstorganisation vollziehen bzw. begründen soll, etwa mit dem Verständnis, dass Selbstorganisation eine komplette Veränderung von Organisationsstrukturen bedeuten könne oder dass alle Menschen sich weniger Strukturen wünschen und dass in selbstorganisierten Organisationen alle Menschen alles mitentscheiden u.a. (vgl. ebd. S. 14f).
Breidenbach und Rollow beziehen in ihre Arbeit insbesondere das AQAL-Modell von Wilber, die Werte-Mem-Phasen nach Spiral Dynamics® (Beck/Cowan) und die Vorstellungen und Praktiken der Theorie U von Scharmer ein.
Die folgende Abb. zeigt noch einmal die genannte Parallelentwicklung von inneren und äußeren Strukturen (gelbe aufsteigende Balken) in der Organisationsentwicklung.
Abbildung: Innere und äußere Strukturen (erweiterte Grafik/vgl. Breidenbach/Rollow 2019 / Keks Ackermann CC BY-NC S. 24 u. 113)
Eine Standortbestimmung als Ausgangspunkt der Transformationsprozesse in Schule helfen bei einer Verortung der eigenen Schulorganisation im Spektrum bürokratisch statisch-hierarchischer Organisationsstrukturen bis hin zu möglichen dynamisch-holarchischen Strukturen und Prozessen der Selbststeuerung durch Lehrer:innen und Mitarbeiter:innen einer Schule.
Den Abschluss der Ausführungen von Breidenbach und Rollow bilden ein Prozess-Fragenkatalog zur Selbstorganisation und zahlreiche Übungen insbesondere zur Standortbestimmung eines Mitarbeiter:innen-Teams (ebd. S. 131-152).
Literatur: Joana Breidenbach, Bettina Rollow, New Work needs Inner Work, Verlag Vahlen München 2019
1 Joana Breidenbach ist Gründerin der Plattform betterplace.org und der Denk“fabrik“ betterplace.lab, Bettina Rollow begleitet als Coach Unternehmen in der Organisations- und Führungsentwicklung.