Den meisten von uns ist dieser Begriff schon einmal untergekommen. Möglicherweise können wir ihm auch Konzepte wie die Pädagogik der Waldorfschulen und den Namen von Rudolf Steiner zuordnen.
Vielleicht kennen einige auch noch Unternehmen und gesellschaftliche Bereiche, die sich mit Anthroposophie verbinden: wie z.B. biologische Landwirtschaft (Demeter), anthroposophische Kliniken, Hochschulen, Unternehmen wie Weleda oder Wala, die GMS-Bank und die Drogeriekette dm. All diese Institutionen und Unternehmen haben anthroposophische Wurzeln.
Kaum jemand kann aber genau sagen, was Anthroposophie eigentlich bedeutet. Ist es eine besondere Philosophie, eine Lebensweise, ein Geheimwissenschaft, eine Religion oder gar eine Sekte?
Um hier ein wenig Licht in dieses Dunkel zu bringen, soll sich nun diese Reihe unter der Überschrift „Anthroposophie – Was ist das?“ mit den Grundlagen der Lehre des Rudolf Steiner beschäftigen und als erstes die wichtigsten Aussagen seines frühen Hauptwerkes „Die Philosophie der Freiheit“ in der Neuausgabe des Originals aus dem Jahre 1918 zusammenfassen. Die einzelnen Teile dieser ersten Reihe beziehen sich jeweils auch auf die Kapitel in diesem Werk.
Rudolf Steiner, Die Philosophie der Freiheit, Hildesheim 2020 (Original Neuausgabe 1918)
- Wissenschaft der Freiheit
- Die Wirklichkeit der Freiheit
- Die letzten Fragen
Anhang 1 + 2
Vorrede zur Ausgabe von 1918
In seiner Vorrede zur Neuausgabe von 1918 beschreibt er die zwei Grundfragen, die er mit seiner Philosophie der Freiheit erforschen möchte:
- Gibt es eine Möglichkeit das Wesen des Menschen so zu bestimmen, dass dieses Verständnis Grundlage für alle weitergehenden Erkenntnisprozesse des Menschen werden kann, also zu einer unzweifelhaften Wahrheit führen kann.
- Gibt es menschliche Willensfreiheit.
Steiner sieht die zweite Frage nach der Willensfreiheit in Abhängigkeit von der Perspektive, die wir zur Beantwortung der ersten einnehmen.
Seine Position und These ist, dass es eine Anschauung des Wesens des Menschen gibt, die Grundlage erweiterter Weltanschauung und –erkenntnis sein kann und damit dann auch die Freiheit des Willens möglich wird, „wenn nur erst das Seelengebiet gefunden ist, auf dem das freie Wollen sich entfalten kann“ (S. 5).
Es geht Steiner damit aber nicht um die Formulierung einer letzten, abschließenden Wahrheit, sondern um das bewusste innere Erleben, das Seelenerlebnis des Menschen, in einem fortwährenden Prozess lebendiger Antworten. Er möchte eine Anschauung des inneren Gebietes der menschlichen Seele ermöglichen, dieses Gebiet auffinden helfen und für die Fragestellungen des Lebens nutzbar machen.
Steiner weist darauf hin, dass in der Philosophie der Freiheit noch keine Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der geistigen Erfahrungswelt, der er in späteren Schriften thematisiert hat, dargestellt werden.
Es ist also ein erkenntnistheoretisches Grundlagenbuch zum geistigen Seelenleben des Menschen. Wie Steiner es formuliert: „In diesem Buche ist erstrebt, eine Erkenntnis des Geistgebietes vor dem Eintritte in die geistige Erfahrung zu rechtfertigen.“